Veckan 46
alias Kalenderwoche, dieser Begriff spielt hier im Alltag eine wichtige Rolle!
Heute will ich mal was zum hiesigen Schulsystem erzählen. Darüber haben wir im Vorfeld unseres Umzugs viel Gutes gehört, trotzdem blieben einige Zweifel und manche Dinge waren aus unserer Perspektive einfach nicht vorstellbar. Nach nun 10 Wochen Schulzeit hier in Schweden konnten wir uns inzwischen ein eigenes Bild machen, zumindest in ganz grundlegenden Zügen, uuuunnd … (Trommelwirbel…): wir sind mehr als zufrieden 🙂
Als Ralph im August zur Anmeldung hier war, erwarteten ihn sage und schreibe 6 Menschen, die alle in irgendeiner Form zum Schulalltag gehören. 2 Rektoren, Sekretärin, Schulkrankenschwester, Deutschlehrerin und Sozialpädagogin. Alle waren nur für uns da und das wohl gemerkt in den Sommerferien… Fast eine Stunde nahm sich die Runde Zeit und beantwortete alle Fragen, erklärte Abläufe, füllte Anträge mit Ralph aus.
Wir anderen drei konnten nicht dabei sein und waren natürlich mehr als gespannt auf Ralphs Erzählungen. Diese waren so dermaßen positiv, dass sich zum einen ein Gefühl von Erleichterung einstellte („wird alles gar nicht so schlimm…“), zum anderen aber auch ein Stück weit Ungläubigkeit („kann doch gar nicht sein…“). Die Erwartungen waren also hoch und was soll man nun sagen? Sie wurden tatsächlich (erstmal?!) erfüllt.
Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen kommen hier ein paar Fakten, die wir so aus Deutschland nicht kennen, die man genau deswegen aber sicher gerne annimmt.
Ich versuche es alphabetisch (kleine Zusatzherausforderung für mich… 🙂 )
Arbeitsmaterialien: Die Kinder benötigen keine (!) eigenen. Alles wird von der Schule gestellt. Jeder Stift, jedes Blatt und jedes Buch.
Bus: kommt jeden Morgen für Till und Mia vor die Haustür. Da beide Kinder zu unterschiedlichen Zeiten in der Schule sein müssen, kommt er sogar zweimal. Tills Bus fährt 7.40 Uhr und Mias Bus 8.00 Uhr. Der Bustransfer ist kostenlos und das Ganze funktioniert natürlich auch retour.
Deutschunterricht: gibt’s hier in der Schule als zweite Fremdsprache. Unsere Kinder nehmen daran aber in Absprache mit der Schule nicht teil. Mia hatte bisher allerdings schon zwei „Gastauftritte“, in denen sie über ihr Schulleben in Deutschland berichten sollte.
Essen: gibt es täglich in Buffetform. Es wird selbst gekocht und man bekommt normales, vegetarisches und allergikergeeignetes Essen, je nach Bedarf. Dazu gibt es immer ein Salatbuffet, Milch, Brot, Butter, Getränke. Die Essenversorgung ist ebenfalls kostenlos.
Füller: gibt es hier nicht. Man schreibt mit Bleistift, sogar die Klausuren.
Freizeit: Auf dem Schulgelände befindet sich eine entsprechende Einrichtung, die täglich für Schüler zwischen 12 und 18 Jahren bis in die Abendstunden geöffnet hat und neben Billard, Tischtennis und TV-Spielen auch Ausflüge anbietet.
iPad: Jeder Schüler bekommt ein eigenes iPad. Er muss einen Vertrag unterschreiben, dass es pfleglich behandelt wird und zum Unterricht mit ausreichend geladenem Akku mitgebracht wird. Viele Aufgaben werden damit erledigt, egal ob in der Schule oder zu Hause in Form von Hausaufgaben. Die Kinder haben diverse Apps auf dem Gerät, viele Lehrfilme, Übungen zu ganz unterschiedlichen Lerninhalten aber auch z.B. Spotify zum Musik hören. Inhalte, die nicht im weitesten Sinne zum Schulalltag gehören, sind gesperrt. Die Nutzung und das Gerät selbst sind kostenlos.
Kunst: Der Kunstunterricht befasst sich, neben den klassischen Inhalten, unter anderem auch mit Nähen. So arbeitet Till z.B. schon seit einigen Wochen an der Nähmaschine. Die Klasse wird dazu geteilt und nach dem Halbjahr getauscht.
Muttersprachliche Begleitung: Jeder Ausländer hat das Recht auf eine sog. muttersprachliche Begleitung. Man füllt einen Antrag aus und sowohl Kinder als auch Eltern bekommen Hilfe in der jeweiligen Landessprache, kostenlos.
Pause: Die Pausen sind hier länger, als wir es in der alten Schule gewohnt waren. Vor allem mittags finde ich das gut, damit man sich beim Essen nicht so abhetzen muss. Teilweise bis zu einer Stunde haben die Kids Freizeit.
Sport: Der Sportunterricht findet, auch bei relativ unperfektem Wetter, draußen statt. Die Schweden haben es mit „Orienteering“, was dem deutschen Orientierungslauf ähnelt. Ein Beispiel: Mia musste in `ner Kleingruppe los und verschiedene Ziele im Ort finden. Diese sollten erstens fotografiert werden und zweitens mussten an den einzelnen Stationen Aufgaben erfüllt werden (Wandhocken oder Liegestütze etc…). Dies wurde per Handy aufgenommen und dem Lehrer später gezeigt. Kann man gut oder schlecht finden, es ist jedenfalls mal was anderes als der von allen Schülern gehasste „Coopertest“. Till erzählt oft von seiner Sportlehrerin, die ziemlich viel verlangt aber auch immer selber mitmacht und das Ganze mit aktueller Musik unterlegt.
Utvecklingssamtal: heißt so viel wie Entwicklungsgespräch. Die Lehrer (und übrigens auch die Eltern!!!) sind gesetzlich verpflichtet, zweimal im Jahr ein persönliches Gespräch mit Eltern und Schüler zu führen. Wir hatten das Gespräch bereits sowohl mit Till als auch Mia und deren Lehrern und auch da kann ich nur sagen, dass man sich einfach auf- und ernst genommen fühlt. Die Kinder werden einbezogen und, soweit möglich, individuell gefördert. Mia z.B. wird ab nächster Woche eine Klasse aufsteigen, was den Schwedischunterricht für Ausländer angeht, da sie im jetzigen Kurs etwas zu wenig zu tun hat.
Vklass: Ist eine App für Schüler aber auch für Eltern, in der man sich über alle schulinternen Vorgänge informiert und von Gemeinde und Lehrern informiert wird. Wir als Eltern haben eigene Zugangsdaten und erfahren damit z.B., wann und wie oft das Kind zu spät zur Schule gekommen ist, welche Hausaufgaben aufgegeben wurden, was es zu Essen gibt, welche Veranstaltungen anliegen, sämtliche Kontaktdaten aller Lehrer…, im Prinzip alles, was in und um die Schule passiert. Zusätzlich erhält man einmal wöchentlich eine Email mit einer Wochenzusammenfassung.
Das Thema Bildung nimmt ja einen großen Platz in politischen Diskussionen ein und ich will auf keinen Fall hiermit eine solche starten. Wir als Familie spüren allerdings einen großen Unterschied zum Schulalltag in Deutschland und ohne hier den 100%igen Durchblick zu haben, fühlt es sich doch um einiges besser an. Dass man in Schweden dadurch nun schlauere Menschen formt, bleibt zu bezweifeln aber man empfindet hier definitiv einen anderen Stellenwert gegenüber der Bildung im Allgemeinen. Als sehr prägnantes Beispiel dafür will ich anführen, dass hier noch nicht eine (!) Unterrichtsstunde ausgefallen ist. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in Deutschland auch nur eine Woche ohne erlebt habe… Die Kinder stellen vor allem fest, dass die Lehrer hier tatsächlich gut gelaunt zur Schule kommen und „viel mehr Späße“ mitmachen. Es herrscht laut Aussagen von Mia und Till eine sehr angenehme und vor allem ruhige Atmosphäre. Gerade Till war in seiner alten Klasse sehr gebeutelt, was Lautstärke und Streitereien im Klassenverband anging. In der neuen Schule hat er noch keinen einzigen Streit miterlebt…, das sagt doch vieles…
In dem Sinne, euch allen frohes Schaffen!!
Ein Kommentar
Anke
Das hört sich richtig super an!!!!! Einiges hattest du ja schon erzählt…
Aber das es so „traumhaft“ ist, verschlägt einem fast die Sprache 😉
Es freut mich riesig, gerade auch für Till !!!!!!