Sommer in Schweden
Es sind 4 Monate vergangen, seit ich das letzte Mal hab von mir hören lassen. Heute habe ich endlich mal wieder die Muße und Energie, ein paar Neuigkeiten niederzuschreiben und hoffe, diese erreichen euch bei guter Laune und Gesundheit.
Vor ziemlich genau zwei Jahren saß ich mit Ralph beim Norweger in Berlin – Schöneberg (den wir im Übrigen sehr empfehlen können!). Es war unser 12. Hochzeitstag und ganz nebenbei auch der Tag, bevor das Umzugsunternehmen unser Haus in Deutschland leerräumen und wir zwei Tage später unser Heimatland verlassen und nach Schweden ziehen würden. Dieser Abend blieb uns vor allem deswegen in Erinnerung, weil am Nebentisch eine Vierergruppe saß, die über ihre Urlaube in Schweden philosophierte. Und obwohl wir eigentlich nicht dazu neigen, anderer Menschen Unterhaltungen zu belauschen, konnten wir in dem Moment nicht anders und stellten die Fledermausohren hoch. Alle vier waren sich einig, welch tolles Urlaubsland Schweden ist und wir konnten dem natürlich nur leise beipflichten. Dann kam das Aber und dieses äußerte sich darin, dass keiner der dort Anwesenden sich vorstellen konnte, in Schweden zu leben. „Was soll man denn dort machen?“, fragten sie sich gegenseitig und es schaukelte sich so hoch. Damals waren wir zu sehr mit uns und der bevorstehenden Zeit beschäftigt, um dieses Szenario einordnen zu können. Ich meine, hallo???? Wie verrückt ist die Situation, dass wir am Tag vor unserem Umzug nach Schweden am Tisch neben Menschen sitzen, die einhellig der Meinung sind, dass man in Schweden doch nicht leben kann? Wenn wir heute daran zurückdenken, dann war das ganz sicher eine unserer vielen Prüfungen, die wir bestehen mussten / müssen im Zusammenhang mit diesem für uns so einschneidenden Schritt, unsere Heimat zu verlassen. Nun sind schon zwei Jahre rum. Am 02.09.21 jährt sich unser Umzug hierher und es fühlt sich so viel länger an… Wir werden diesen Tag mit Pizzaessen feiern, was darauf zurück geht, dass wir der Einfachheit halber am Umzugstag die Umzugshelfer und uns selbst mit gekaufter Pizza verköstigt haben. Lange Rede, kurzer Sinn: wir feiern zwei Jahre Leben in Schweden und es fühlt sich gut an 😊
Unser kleiner Janne feierte gestern ebenfalls ein Jubiläum, und zwar ist er genau so alt geworden, wie ich nicht mehr aktiv auf der Homepage war. 4 Monate gehört er nun schon zu unserer Familie und er hat unser aller Leben noch einmal komplett umgekrempelt. Er ist ein lustiges kleines Kerlchen, das gerne isst und ungern schläft. In dieser Kombination ist er manchmal etwas schwierig händelbar, aber wir sind ja zu viert und irgendjemand bekommt ihn immer ruhig.
Die beiden Großen sind unterdessen wieder in der Schule angekommen, nachdem sie mehr als 9 Wochen Sommerferien genießen konnten. Mia ist in der ersten Klasse auf dem hiesigen Gymnasium und fühlt sich pudelwohl. Die Aufregung vorher war riesig, was nach wie vor auch bei ihr mit der schwedischen Sprache zu tun hat und mit einer gewissen Unsicherheit. Aber diese war völlig unbegründet, sie hat direkt Anschluss gefunden. Sogar Deutschunterricht steht nun auf dem Stundenplan und mit der Lehrerin gibt’s den Deal, dass Mia ihr bei Bedarf hilft. Es hätte also schlechter kommen können…😉
Am letzten Ferientag haben Ralph, Mia und ich gemeinsam an einem Online – Fahrschulkurs teilgenommen, der Ralph und mich berechtigt, ihr das Autofahren beizubringen. Hier in Schweden ist es so, dass man lediglich die Fahrprüfung in einer Fahrschule ablegen muss, ansonsten kann eine „övningskör“ (Übungsfahrt) mit einer berechtigten Person durchgefuehrt werden und dann kann die Tour losgehen. Ralph hatte gestern zum ersten Mal das Vergnügen, Mia die grundlegenden Dinge zu zeigen und zu erklären, bevor sie selbst hinters Steuer durfte. Ich persönlich weiß gar nicht, ob ich diese Vorgehensweise gut oder schlecht finde. Vorteilhaft ist definitiv, dass man ordentlich Geld sparen kann im Vergleich zum Fahrschulbesuch, alles andere wird die Praxis zeigen.
Till muss noch ein Weilchen durchhalten, bis er altersmäßig soweit ist, bis dahin ist er ein begeisterter Mountainbiker. Ein bisschen Pech hat er mit seinem Wunschrad, auf das er seit sage und schreibe einem Jahr wartet. Auf Grund der momentan herrschenden Lieferengpässe diverser Materialien und Rohstoffe hat sich der Liefertermin immer wieder verschoben. Auf Grund dessen hat er sich inzwischen entschlossen, ein gebrauchtes Rad von einer Privatperson zu kaufen. Soweit ist diesbezüglich alles in die Wege geleitet und ein gewisser Betrag angezahlt (nennt sich hier „handpenning“). Schade ist nur, dass der An- und Abfahrtsweg ein anderer ist, als er anfangs schien. Aus guten 200 km ist eine Strecke von über 400 km geworden (pro Richtung) und nun steht Ralph und Till ein langer Autofahrtsamstag bevor. Die beiden müssen fast bis nach Stockholm fahren und ich hoffe sehr, dass sich der ganze Aufwand lohnt und das Kapitel Mountainbike – Kauf damit für eine lange Zeit erledigt ist.
Auch das kleinste Kind stellt uns bereits jetzt vor einige schwierige organisatorische Herausforderungen. Da der Plan ist, Anfang November mal wieder die Reise nach Deutschland anzutreten und es inzwischen nicht mehr möglich ist, Kinder in den Pass der Eltern eintragen zu lassen, muss also für Janne ein eigenes Dokument her. Dürfte ja kein Problem sein, dachte ich mir, als ich Anfang Juli anfing, mich darum zu kümmern. Als Kind zweier deutscher Eltern ist Janne automatisch deutscher Staatsbürger und die Deutsche Botschaft in Stockholm zuständig. Und auch hier bewahrheitet sich das, was man den Deutschen im Allgemeinen nachsagt: es wird sich zu Tode bürokratisiert. In Kürze gestaltet sich der Vorgang nämlich folgendermaßen: ich sammle Millionen von Unterlagen zusammen, in doppelt und dreifacher Ausführung, die entweder im Original eingeschickt werden müssen (auf Grund von Corona aber nicht zurück geschickt, sondern lediglich später abgeholt werden können) oder von einem ganz bestimmten Anwalt hier beglaubigt (und teuer bezahlt) werden müssen. Dann lässt man sich online einen Termin bei der Botschaft geben, der jedoch lediglich dazu da ist, dass man die Unterlagen bis dahin einreicht. Ist dies nicht der Fall, wird der Vorgang nicht bearbeitet. Ich bekam Anfang Juli einen Termin für den 26.8. (!) und zweifelte das erste Mal leise daran, es pünktlich bis November zu schaffen. Am 26.8. dann bekam ich morgens von einer Dame der Botschaft eine Mail, in der sie mich darauf hinwies, dass diese Million Unterlagen nicht ausreichend war und noch Formular x und y fehlt. Die warten also tatsächlich bis zu dem vereinbarten Datum, um sich die Unterlagen anzuschauen und geben dann erst Bescheid, dass etwas fehlt. Nun ja, ich habe also die fehlenden Unterlagen nachgereicht und nun warte ich auf grünes Licht, dass alles vollständig ist und wir uns dann einen Termin bei der Deutschen Botschaft geben lassen können. Dort müssen dann Mutter, Vater und Kind erscheinen und dann geht der eigentliche Vorgang los, in dem alles nach Deutschland geschickt und bearbeitet wird. Natürlich gibt es eine Expressfunktion, für lächerliche 35€ extra. Ich bin sehr gespannt, wie das Ganze ausgeht und wir freuen uns schon alle sehr auf die Tagesreise nach Stockholm, die sich mit so einem kleinen Kind ganz besonders gut macht. Und in meinem Kopf spielt sich schon jetzt das Szenario ab, dass wir dort einer Mitarbeiterin gegenüber sitzen, die die biometrischen Passbilder von Janne mit ihm persönlich vergleicht und uns mitteilt, dass wir neue Bilder machen müssen, weil er nicht zu identifizieren ist (wie auch, die Bilder habe ich Anfang Juli machen lassen müssen, nicht mal ich würde ihn darauf wiedererkennen). PS: Biometrische Passbilder mit einem Säugling zu machen, das alleine ist eine Aktion für sich… Ach ja, und damit nicht genug. Seit Anfang des Jahres gibt es die lustige Gesetzesänderung, dass Reisepässe für Kinder unter 12 Jahren nur noch ein Jahr gültig sind, was bedeutet, dass man diesen ganzen Aufriss jedes Jahr machen muss (inkl. der Zusendung aller Unterlagen von Neuem!). Wie verrückt ist das bitte? Wir haben uns auf Grund dessen für einen biometrischen Pass entschieden, der deutlich mehr kostet, uns aber für 6 Jahre Ruhe lässt. Nun bleibt nur abzuwarten, ob man im November überhaupt nach Deutschland reisen kann…
Meinen ersten Beitrag nach über 4 Monaten will ich aber ungerne auf diese Art abschließen, deshalb hier noch etwas richtig Schönes: Unser Bauantrag für die „Maschinenhalle / Büro“ wurde nach nur 7 Wochen Bearbeitungszeit genehmigt (so schnell kann das gehen😉). Nun sitzt Ralph vor den Bauplänen und studiert diese hoch und runter und plant und überlegt und organisiert. Aktuell warten wir auf das Angebot für die Bodenplatte und den Termin, der sich „tekniskt samråd“ nennt. Das ist ein Treffen aller Beteiligten und es wird sich über alles Mögliche hinsichtlich des Bauvorhabens ausgetauscht (eventuelle Probleme, bestehende Hindernisse usw.). Wir sind äußerst gespannt, wie dieses von statten geht und wie und wann es dann weiter gehen kann.
Und weil man bei allen Planereien und aller täglichen Arbeit auch ab und zu mal eine Auszeit braucht, bin ich mit den großen Kindern vor kurzem in das von uns inzwischen ins Herz geschlossene Städtchen Borås gefahren. Dies liegt auf dem Weg nach Göteborg und von uns nur eine knappe Stunde entfernt. Wir haben uns eine Hotelübernachtung gegönnt und die Zeit nur zu dritt sehr genossen. Borås ist bekannt als Textilzentrum und beherbergt viele Studenten, die dort im Bereich Design und Stoffe ihre Ausbildung absolvieren. Unter anderem gibt es ein Textilmuseum, das bei freiem Eintritt viel zu bieten hat und so hatten wir z.B. viel Spass daran, uns mit allen möglichen Kleidungsstücken der vergangenen Jahrzehnte zu kostümieren. Wer also mal im Südwesten Schwedens unterwegs ist und abseits der Großstadt Göteborg ein bisschen gemütlicher unterwegs sein will, dem kann ich Borås wärmstens empfehlen.
So, und damit soll es genug sein für heute. Janne ich gehen jetzt ein bisschen raus und genießen einen der wunderschönen Spätsommertage hier. Das Angebot an Pilzen, Heidelbeeren und Lingon (Preiselbeeren) ist der Hammer…
Seid alle herzlichst gegrüßt und lasst es euch gut gehen. Oder wie man hier sagt: Ha det så gott!!
Claudia
Ein Kommentar
Sabine
Liebe Claudia! Ich habe erst heute Eure Seite entdeckt. Wunderschön geschrieben. Ganz liebe Grüße von uns allen, insbesondere von Emil an Till. Drücke Euch die Daumen dass es klappt mit der Reise nach Deutschland.