Neues vom Berg!
Nach ein paar Tagen mit herrlichem Winterwetter hat uns nun die wohlbekannte graue Suppe des Novembers wieder… 🙁
Am Wochenende haben wir unseren ersten 1. Advent hier erlebt, welcher nicht wirklich anders als die Jahre zuvor verlief, aber trotzdem besonders war.
Es gab eine Art Weihnachtsmarkt in Anderstorp und unser „alter Holz-Owe“ hatte uns eingeladen, doch mal vorbeizuschauen. Die Kinder freuten sich schon auf kandierte Früchte und Mandeln und wir Großen waren einfach nur gespannt, was uns erwartet. Im Endeffekt muss man sagen, es war (mit einem Wort ausgedrückt): anders ;-).
Es waren recht viele Menschen unterwegs in der kleinen Einkaufsstraße und vereinzelt gab es auch winzige Holzbuden, vor denen sich Leute tummelten. Kam man näher, musste man feststellen, dass es dort weder kandierte Leckereien noch sonst irgendwas zu Essen oder Trinken gab. Geld konnte man jedoch trotzdem loswerden und zwar in Form von gekauften Losen. Es ist also so, dass verschiedene Vereine oder Verbände (meistens aus dem Sport) Lose verkaufen, mit denen man in der Regel nichts gewinnt (wie wir nach 8 gekauften Losen und 8 Nieten feststellten):-). Wir haben Tills Mountainbike Verein mit unserem Loskauf unterstützt und um die anderen Buden einen Bogen gemacht…Nee, also die Preise sind moderat und man tut was Gutes an Stellen, die einem das ganze Jahr was Gutes tun (das Vereinsleben hier ist unglaublich vielseitig aufgestellt und Ehrenamt spielt eine extrem wichtige Rolle), so dass ich diese Aktionen absolut gerechtfertigt finde.
Ja, und nachdem wir unsere gute Tat also vollbracht hatten ging es weiter in einen Versammlungssaal der ökumenischen Kirche, wo es neben einem „julloppis“ (jul = Weihnachten, loppis = Flohmarkt) auch Waffeln und Kaffee gab. Der loppis bestand aus zwei winzigen Ständen im Eingangsbereich und es gab ein bisschen Weihnachtskrimskrams zu kaufen, für deutsche Verhältnisse aber nicht der Rede wert. Wir haben schließlich Waffeln und Kaffee bestellt und während wir darauf warteten kamen diverse Leute zu uns an den Tisch um uns zu begrüßen. Das war insofern seltsam, als dass wir die meisten nicht kannten, sie aber wussten von den „neuen Deutschen“, die doch in dem und dem Haus wohnen… Alle waren auffallend herzlich und uns wurde mehr als einmal gesagt, dass wir sehr willkommen seien und sie sich freuen, uns hier zu haben. Es war tatsächlich eine merkwürdige Situation, vor dem Hintergrund, dass man diese Art der Kontaktaufnahme bisher nicht kannte. Selbst der Pastor stellte sich uns vor und trotz des Wissens, dass dieser gleichzeitig neue Schäfchen für seine Gemeinde sucht, kam es ehrlich und herzlich rüber.
Gleiches widerfuhr uns ein paar Tage eher an selber Stelle. Ralph und ich waren beim sog. Sprachcafe, welches einmal wöchentlich das ganze Jahr über stattfindet. Es erwarteten uns viele ältere Schweden, die uns beim Hereinkommen in Empfang nahmen und von da an als Gesprächspartner zur Verfügung standen. Gleichzeitig gab es Kaffee, Schnittchen, Obst, Kekse, was kostenlos angeboten wurde und so verbrachten wir zwei sehr aufschlussreiche und angenehme Stunden zusammen. Die Herzlichkeit ist beeindruckend und man tut sich fast ein wenig schwer, diese ernsthaft anzunehmen. Schwer zu beschreiben… Es waren außer uns noch ein paar andere Ausländer da und ehe ich mich versah hatte ich einen kleinen Araber neben mir sitzen, der mich um Hilfe bei seinen Deutsch-Hausaufgaben bat. Seine Mutter, die mit am Tisch saß, bekam mit, dass ich im Januar einen SFI-Kurs (Schwedisch für Einwanderer) beginne. Da sie diesen schon hinter sich hatte, wollte sie mir unbedingt ihr Lehrmaterial zur Verfügung stellen und das tat sie auch. Ein Anruf bei ihrem Mann und er brachte Buch und jede Menge Übungsunterlagen vorbei. Ich solle sie behalten, bis ich sie nicht mehr brauche…Nach zwei Stunden war Feierabend und Ralph und ich froh, dass wir uns aufgerafft hatten. Es war ein wohltuender Abend und im Januar geht’s definitiv weiter….
Zurück aber zum 1. Adventsnachmittag. Nach den Waffeln ging es ins FolketsHus (eine Art Versammlungshaus), wo ein weiterer Weihnachtsmarkt stattfand. Vielleicht gab es ja hier die heiß geliebten kandierten Früchte? Nach 5 Sekunden war klar, Fehlanzeige. Außer Honig, 5 Paar gestrickten Socken, ein bisschen Keramik, nochmal Honig und, nee, weiter gab´s nix. Wenn man zwei Runden gelaufen ist war man in einer Minute fertig und das waren wir dann auch. Zusammenfassend lässt sich also sagen: es wurde viel Werbung gemacht für nicht viel und in Deutschland hätte ich dafür keinen Schritt vor die Tür gesetzt. Trotzdem war es durch diese Einfachheit und angenehme Unaufgeregtheit ein schöner Nachmittag und zumindest mir hat nichts gefehlt (ok, einen leckeren, roten kandierten Apfel hätte ich auch genommen:-) )…
Am schwerwiegendsten ins Gewicht fällt meinerseits das Thema „schön und gut“ (!) Essen gehen. Es gibt an jeder Ecke FastFood und Imbisse und wenn man Döner, Burger und Pizza in Bahnhofsatmosphäre als erstrebenswert ansieht dann hat man hier keine Probleme. Richtige Hausmannskost und ein schönes Ambiente ist jedoch weitestgehend Fehlanzeige bzw. wenn vorhanden, schwer bezahlbar. Schade, gehe ich doch sooooo gerne essen…. ☹
Als nächstes kommt man natürlich um den Alkohol nicht herum. Leichtbier- oder Glögg (Glühwein) kriegt man auch im normalen Laden, „richtigen Stoff“ aber nur im Systembolaget zu Horrorpreisen. Nun bin ich kein Trinker, trotzdem gehört ein guter Wein oder ein kleines Likörchen gerne mal zum Tagesausklang. Ob es tatsächlich für die Bevölkerung etwas bringt, Alkohol weitestgehend zu verbannen, halte ich für fragwürdig. Es gibt genug Skandinavier, die selber brennen und ob diese Ergebnisse bessere sind, bleibt zu bezweifeln.
Ja, und auch das Abfallsystem bekommt sein Fett weg. Wir haben zwei riesige Mülltonnen auf dem Grundstück stehen, die wiederum je vier Einsätze haben. Wir trennen hier also: Pappverpackungen, Plastikverpackungen, Zeitungen, Essensabfälle, Restabfälle, Metallverpackungen, gefärbtes Glas und nicht gefärbtes Glas. Um nicht für jeden Pups rausrennen zu müssen, habe ich also 8 (!) verschiedene Möglichkeiten im Haus geschaffen, Müll zu trennen. Hinzu kommt, dass die Müllabfuhr die Tonnen nur dann leert, wenn sie auch voll sind. Sind sie es nicht oder nur halb, kommen die zwar hochgefahren, lassen die aber stehen. Bis ich das kapiert hatte, habe ich schon 4x diese Monstertonnen an den Abholplatz geschoben und wieder zurück und mich schon einmal bei der Entsorgungsfirma schriftlich beschwert. Die sind dann auch tatsächlich noch einmal wiedergekommen und dachten sich wahrscheinlich: „typisch deutsche Korinthenkacker“. Beim nächsten Mal wurde die Tonne dann natürlich wieder nicht geleert, weil nur halb voll. Nicht schön ist es vor allem deswegen, weil der Dreck aus´m Katzenklo megamäßig stinkt nach gewisser Zeit und ich jedes Mal ´n Würgereiz bekomme beim Aufmachen der Tonne…
Vorhin habe ich bereits das gut organisierte und vielfältige Vereinssystem angesprochen. Was in diesem Zusammenhang aber, zumindest für mich/uns blöd geregelt ist, ist die Tatsache, dass die meisten Infos über Facebook in Umlauf gehen. Man erfährt alles Wissenswerte lediglich dort, egal ob es um Uhrzeiten, Veranstaltungen und was auch immer geht. Für die meisten ist genau das sicher optimal, für uns als „nicht Facebook user“ ist es nachteilig. Man ist quasi gezwungen, ein Facebook Konto zu kreieren, damit man sich nicht ins soziale Abseits schießt. Bisher sind wir nach wie vor standhaft, mal sehen, wie lange noch…
Claudia, 04.12.19